Schusterhaus Kochel

Das Schusterhaus

Vom Anfang bis zur Projektreife

Josef Schöffmann, der „Schustersepp“, der noch bis kurz vor seinem Tod in seiner Werkstatt arbeitete, war eine markante Persönlichkeit in Kochel und der letzte Schuster von 10 Generationen, die im „Schusterhaus“ (Bahnhofstraße 12 im Kochel a. See) ununterbrochen ihr Handwerk ausgeübt haben.

Das Gebäude ist nicht weniger markant: im Jahr 1581 gegründet hat es im Laufe seiner Geschichte nur wenig Veränderungen erlebt und erscheint heute wie aus der Zeit gefallen.

Nachdem der letzte Schuster auf dem Anwesen im Jahre 2010 verstorben war, erbte seine Nichte das Anwesen, mit dem sie viele Jugenderinnerungen verband. Da niemand so recht wusste, wie es mit dem denkmalgeschützten Haus weitergehen würde, regte der Verein für Heimatgeschichte im Zweiseenland Kochel e.V. eine Dokumentation des Gebäudes an. Die Kosten hierfür sollten sich der Verein und die Gemeinde teilen, der Gemeinderat stimmte dem zu. Von Frau Michaela Firmkäs wurde dann im Jahr 2012 die ausführliche, 116 Seiten umfassende Dokumentation „Inventarliste für das Schusterhaus“ erstellt.

Wie so oft bei historischen Gebäuden gab es neben den Stimmen, die sich für den Erhalt des Schusterhauses einsetzten auch jene, die für das „oide Glump“ kein Verständnis aufbrachten. Dennoch fand sich im Gemeinderat eine Mehrheit, die 2014 für den Erwerb des Gebäudes durch die Gemeinde stimmte, nachdem von Gemeinderatsmitglied und Vorstand des Vereins für Heimatgeschichte Max Leutenbauer ein Grobkonzept für eine mögliche künftige Nutzung durch die Gemeinde vorgestellt wurde. Dieses Konzept sah vor:

Reparatur und Konservierung des Wohnteils im Überlieferten Zustand bzw. Rückführung der Ausstattung auf die Zeit um 1925

Nutzbarmachung des Wirtschaftsteils für Ausstellungen und Veranstaltungen

Unterbringung der Technik im Anbau (Anschlussraum, Toiletten, Heizung, Depot)

Leutenbauer sagt im Falle der Verwirklichung des Konzeptes die tatkräftige Unterstützung durch den Verein für Heimatgeschichte zu.

Somit war der Grundstein gelegt für das Gemeinschaftsprojekt „Schusterhaus“ der Gemeinde Kochel a. See und dem Verein für Heimatgeschichte im Zweiseenland Kochel. Ein großes Projekt für einen kleinen Verein!

2015

Im Frühjahr 2015 begannen Mitglieder des Vereins für Heimatgeschichte im Zweiseenland Kochel e.V. mit dem Sichten, Räumen, Trennen von Erhaltenswertem und Müll, Archivieren und Reinigen. Es entpuppte sich als Mammutaufgabe, die fast drei Jahre in Anspruch nehmen sollte. Gearbeitet wurde regelmäßig an einem Nachmittag pro Woche, jeweils von April bis November. Eine wertvolle Hilfe war dabei die Unterstützung durch Hans Schweiger, der uns während dieser Zeit kostenlos mit Müllcontainern versorgte. Im Schusterhaus wurde offenbar seit 100 Jahren so gut wie nichts weggeworfen. Das Gebäude war vollgestopft mit Gebrauchsgegenständen aus früherer Zeit. Was nicht mehr benötigt wurde kam auf den Dachboden oder auf den Balkon. Hier fanden sich auch Kartons mit Rechnungen, welche die Schusterei betrafen, aber– und das war ein Gücksfall – auch solche, die das Haus und die Landwirtschaft anbelangten.

Heuberge

Das Entfernen der alten Heubestände im Obergeschoß des Anbaus wurde von von Mathias Lautenbacher organisiert.

Jugendmannschaft

Er konnte drei jugendliche Helfer motivieren, die im August 2015 das Heu auf seinen Kipper verluden und entsorgten.

Saugbagger

Die Reste und der Heustaub, der sich im gesamten Obergeschoß des Gebäudes befand, wurde dann am Leonhrditag 2015 mit Hilfe eines Saugbaggers der Firma Josef Hölzl entfernt.

2016

Parallel zu den Aufräum-Arbeiten wurden von Architekt und Vereinsmitglied Michael Holzer nach akribischer Vermessung des Gebäudes der Bestands- und der Eingabeplan gezeichnet. Ihm ist es gelungen, in den begrenzten Räumlichkeiten des Anbaus, der in den 1950er Jahren entstanden ist, die Technik, die Sanitäranlagen und die Küche für den geplanten Gastronomiebetrieb unterzubringen. Der durch ihn erstellte Bauantrag mit allen erforderlichen Anlagen wurde im September 2016 im Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen zur Genehmigung eingereicht.

Diverse Ortstermine mit der Unteren und Höheren Denkmalschutzbehörde fanden statt. Gleichzeitig wurden die Vorbereitenden Arbeiten durch die aktiven Vereinsmitglieder weitergeführt.

Da einige der Dachsparren augenscheinlich schadhaft waren, wurden im Winter bei einer Durchforstung im Gemeindewald 15 im Durchmesser passende Fichtenstämme aussortiert, auf 8,5 m abgeläng und am Trimini-Lagerplatzt zwischengelagert, um bei Bedarf zu Sägewerk transportiert werden zu können. Die zu ersetzenden Dachsparren sollten – originalgetreu, wie es zur Zeit der Erbauung des Gebäudes üblich war – nur zweiseitig besäumt („gemodelt“) werden, um das äussere Erscheinungsbild des Gebäudes möglichst authentisch zu erhalten.

Im Herbst wurde nach Erteilung der denkmalpflegerischen Erlaubnis durch die damalige Leiterin der Unteren Denkmalschutzbehörde, Frau Michaela Bauer im Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen, der Rückbau der Rigipsdecke in den den ehemaligen Garagen sowie der Rückbau der um 2005 eingebauten Holzdecke in der Küche durchgeführt.

Unter dieser Holzverschalung kam wieder die Blechbeplankte originale Raumdecke zum Vorschein, über deren Sinn man nur spekulieren kann.

2017

Die Aufräum-Arbeiten laufen wie gewohnt weiter. Der eine Nachmittag je Woche (meist montags) hat sich längst etabliert.

Auf Anraten von Herrn Dipl. Ing. Christoph Scholter vom Landesamt für Denkmalpflege wurden im Frühjahr Befunduntersuchungen in Auftrag gegeben, die durch das Landesamt bezuschusst wurden. Die Farbschichten an Fassade und Raumschale wurden dokumentiert (Fa. Restaurierungswerkstätten Erwin Wiegerling, Gaißach), Holzblock und Zierbund wurden dendrochronologisch datiert (Friederike Gschwind, Staatlich geprüfte Restauratorin). Es ergab sich für Blockbau und Dachkonstruktion bei allen 18 Probenahmen als Fälldatum der Winter 1779/80. Darüber, warum schon nach 200 Jahren das komplette hölzerne Obergeschoß samt Dachstuhl erneuert wurde, kann ebenfalls nur spekuliert werden. Über einen Brand ist nichts bekannt, eventuell wurde die Pflege des Schindeldachs derart vernachlässigt, dass eine Neukonstruktion nötig wurde.

Freigelegte Farbschichten in der Küche

Entnommene Bohrkerne

Im August 2017 wurde von der Unteren Denkmalschutzbehörde im Landratsamt Bad Tölz – Wolfratshausen die Baugenehmigung erteilt. Somit konnten dann Anträge auf Förderung gestellt werden. Die entsprechenden Anträge wurden vom 1. Vorstand des Vereins für Heimatgeschichte im Zweiseenland Kochel e.V. bei folgenden Institutionen gestellt:

Deutsche Stiftung Denkmalschutz am 28.08.2017; Folgeanträge am 19.08.2018 und 09.08.2019

Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege am 08.10.2017

Bayerische Landesstiftung am 08.10.2017

Bezirk Oberbayern am 11.12.2017 sowie am 20.12.2019

2018

Erfreulicherweise wurden von allen Institutionen Fördermittel in Höhe von insgesamt 261.200 € bewilligt.

Im Mai 2018 fand ein erster Ortstermin mit der DSD (Deutsche Stiftung Denkmalschutz) statt, bei der das weitere Vorgehen besprochen wurde. Die Stiftung hat 50.000 € für die Teilbaumaßnahme „Dachsanierung“ bereitgestellt. In den kommenden Wochen wurden dann die Leistungsverzeichnisse (Gerüstbauarbeiten, Rückbauarbeiten, Zimmererarbeiten, Dachdecker- und Spenglerarbeiten) und Vergabeunterlagen von Architekt Michael Holzer und Vereinsvorstand Max Leutenbauer gefertigt und versandt.

Nach durchgeführter Vergabe konnten die Aufträge dann an die Firmen Josef Hohenreiter Gerüstbau, Johann Resenberger Zimmerei und Markus Greiner Dachdeckerei vergeben werden.

In Vorbereitung der Arbeiten zur Dachsanierung wurden zusätzlich zu den bereits gelagerten Stämmen aus dem Kocheler Gemeindewald noch im Stadtwald Bad Tölz 30 im Durchmesser passende Fichtenstämme zur Erneuerung schadhafter Dachsparren eingeschlagen und auf die Sägewerke Zwink (Großweil) und Hundegger (Stallau) verbracht. Die Sparren sollten – wie früher üblich – nur zweiseitig besäumt (gemodelt) werden. Der Transport von den Sägewerken zur Baustelle wurde vom Benedikt Pössenbacher sen. und dem Gemeinde-Bauhof Kochel durchgeführt. Das Handentrinden der im Winter gearbeiteten Stämme wurde von den aktiven Vereinsmitgliedern erledigt.

Parallel dazu wurden die Aushubarbeiten in Stall und Tennendurchfahrt durch Vereinsmitglieder (Hans Mayr mit Elke Hoffmann, Marianne Wörle, Erich Wolf, Dieter Bury, Toni Röckenschuß, Mathias Lautenbacher,Brigitta, max jun. und Max sen. Leutenbauer) durchgeführt. Im Stall musste wegen der niedrigen Raumhöhe und der schmalen Türen alles von Hand gegraben und befördert werden. Die Werkzeuge waren Pickel, Schaufel und Schubkarre. Zum Zertrümmrn des betonierten Futterbarrens kam noch ein Schlegelhammer zum Einsatz. In der Tennendurchfahrt konnten dann der Hoftruck von Mathias Lautenbacher und ein Minibagger der Fa. Eberl eingesetzt werden. Für den Abtransport des Aushubmaterials stand uns wieder die Firma Schweiger zur Seite. Die Leitungsgräben und Mauerdurchbrüche wurden von Hand hergestellt. So konnten im August 2018 die Abwasser-Grundleitungen durch die Firma Josef Kell Haustechnik (Gaißach) verlegt werden.

Tennendurchfahrt1
Tennendurchfahrt2

Im Juli und August 2018 wurden dann die Bodenplatten im Stall und in der Tennendurchfahrt betoniert. Für die fachmännische Ausführung sorgte Klaus Eberl.

Ein großes Etappenziel war erreicht. Jetzt konnten die Handwerker beginnen.

Ende August 2018 war es dann endlich so weit. Der Gerüstbauer Josef Hohenreiter stellte trotz herrschender Hochkonjunktur im Baugewerbe fristgerecht das Baugerüst auf. Dank der freundschaftlichen Beziehungen von Verinsmitglied Hans Mayr zu Leo Habersetzer (Sindelsdorf) und Benedikt Geiger (Bichl) konnte – trotz Urlaubszeit – die bisherige Stromversorgung über den Dachständer durch die Firma EON zurückgebaut und der Baustrom installiert werden. Der Baustromkasten wurde von der Baufirma Eberl bereitgestellt.

Anfang September begann die Mannschft der Zimmerei Resenberger mit den Arbeiten zur Dachsanierung.

Im Folgenden eine Dokumentation der Sanierungsarbeiten

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